Reutlinger Generalanzeiger, 12.11.2007

"Elias" mit Stabwechsel

METZINGEN. Gemeinsam zum großen Erfolg: Die Kooperation der Kantorei Blaubeuren mit der Martinskantorei Metzingen hat sich an Mendelssohns »Elias« hervorragend bewährt. Nicht nur deshalb, weil beide Kantoreien einen einheitlichen Klangkörper gebildet haben, sondern auch der Hingabe wegen, mit der die vielen Sängerinnen und Sänger in der Martinskirche – am Abend zuvor sollen es in der Stadtkirche von Blaubeuren noch mehr gewesen sein – dieses Oratorium gestaltet haben.
Wobei die schiere Größe des Chors nicht den Ausschlag gab, vielmehr seine Klangbereitschaft, seine technische Kondition, seine Farbigkeit und sein enormes dynamisches Potenzial. Auch sein blitzschnelles Umschalten von druckvoller Dramatik zu choralhaftem Innehalten, von Agitation zu Meditation hat bewegt. Auf die Stabilität, Ausdauer und Fülle dieses Doppelchors ist Verlass gewesen. Ganz gleich, wer nun vor ihm stand: Stephen Blaich, der Metzinger Kantor und die Ruhe und Übersicht selbst, oder im zweiten Teil die bis in die Fingerspitzen hochpräzise Bettina Gilbert, seine Kollegin aus Blaubeuren.

Mit seiner wuchtigen Klarheit und seinen scharfen Akzenten (»Aber der Herr sieht es nicht«) wurde der Chor zur mächtigen Klangmauer. Wenig später wölbt sich über seinem Volumen überwältigender Glanz. In der Baals-Szene lässt er die Muskeln spielen. Schürt Kontraste. Macht aus dem »Feuer«-Chor ein Furioso der Leidenschaft und der Frömmigkeit. Singt den Schlusschor des ersten Teils mit Pracht und Energie. Wird im zweiten Teil wild und roh, wenn er den Tod des Propheten fordert. Versinkt fromm in das schönste Pianissimo des Abends (»Wer bis an das Ende beharrt«) und wirft sein ganzes Können unvermindert in die beiden letzten Chöre, die er selbst prophetisch, ja majestätisch singt, um in der finalen Fuge Vollglanz und Tiefenschärfe zu verbinden. Das Doppelquartett der Engel wurde ebenfalls vom Chor gesungen. Mit feiner Tongebung. Verklärt. Schwebend.

Das Orchester ist im »Elias« permanent gefordert. Die Junge Sinfonie Reutlingen mit kompetenten Bläsern und motivierten Streichern hat dem Chor die eigene, kraftvoll farbige und wendige, in Dissonanzen hineingehende Klangpotenz zur Seite gestellt. Immer aktiv mitgestaltend, auch jene inneren Fermaten, aus denen die melodischen Bögen der Musik Mendelssohns Atem und Weite zu schöpfen vermögen.

Der Prophet Elias steht im Mittelpunkt. Christian Feichtmair singt ihn mit einem eher jungen, frischen Bass voller Strahlkraft und natürlicher Würde. Hoheitsvoll ohne das Pathos des Rufers. Demütig und ausdruckstief in der Resignation. Seiner Berufung ergeben. Kämpferisch. Mit Charakter in jedem Ton. Alexander Efanov gibt dem Obadjah und Ahab einen schlanken, wohlklingenden Tenor mit, dessen leichte Höhen voller Substanz sind.

Jana Bartho hat als Witwe ihren großen Auftritt, aber vor allem in den Arien zu Beginn des zweiten Teils beweist sie mit ihrem klaren, kraftvollen und ausdrucksstarken Sopran Format. Bärbel Giebeler hat eine kleinere Rolle, die sie mit Anmut und heller, gerader Stimme gestaltet. In einer noch kürzeren Partie trat Cornelia Grantz-Hild aus dem Chor-Sopran nach vorn. Mercedes Heims runder, leuchtfähiger Alt bringt als Königin Biss in die Aufführung, aber auch beseelte, melodisch atmende Herztöne. (GEA)