In bester Feierlaune
Erneut ein großer Erfolg: das Silvesterkonzert der Jungen Sinfonie Reutlingen. Das älteste selbstverwaltete Jugendorchester Deutschlands präsentierte zwei ausgezeichnete junge Solisten und sich selbst in bester Spiellaune.
Reutlingen. An den musikalischen Silvesterscherzen der Jungen Sinfonie kann man auch die Stimmungslage ablesen. Hin und wieder gab es da schon Anspielungen auf die missliche Finanzsituation. Dieses Mal schien die Feierlaune ungetrübt, auch wenn das Programm aus eher schwer zugänglichen Werken bestand. Doch das ist ebenfalls typisch: Die Nachwuchsmusiker arbeiten sich unter Rainer M. Schmids bewährter Leitung lieber an unbekannten und sperrigen Partituren ab, als allzu populäres erneut aufzuwärmen.
Die akribische Arbeitswut galt dieses Mal Leonard Bernsteins Ouvertüre zu "Candide", einem Musical nach Voltaires Satire "Candide oder der Optimismus". Da sprengen Bernsteins schräge Gegenbewegungen fast die Gemeinschaft, doch sorgfältiges, detailgenaues Zusammenspiel hielt das Stück im Lot. Als zweites "größeres" Werk an den Schluss gestellt wurde Peter Tschaikowskys Ouvertüre "Das Gewitter" op. 76, ein selten aufgeführtes Jugendwerk, nicht zu verwechseln mit der bekannteren Ouvertüre "Der Sturm" op. 18 nach Shakespeare. Die bedrohliche Grundstimmung und die klangmalerischen Einzelheiten wurden mit präziser Klangkoloristik sowie viel Gespür für Spannungsaufbau und Knalleffekte in Szene gesetzt, Blechbläser und Schlagwerk erhielten zu Recht einen Sonderapplaus.
Die beiden Solisten wurden von der Christel-Guthörle-Stiftung "spendiert", die auch die Junge Sinfonie fördert. Max Eisenhut, Student an der Musikhochschule Stuttgart, überzeugte mit einer klangschönen und sensiblen Interpretation des musikalisch wenig ergiebigen Konzerts für Posaune und Orchester von Nino Rota, das mit Rotas berühmten Filmmusiken (etwa zu "Der Pate") nur wenig gemein hat.
Kai Strobel, trotz jugendlichen Alters vielfach ausgezeichneter Marimba-Perkussionist, bezauberte die Hörer mit einer bei aller Anstrengung ausgesprochen ausdrucks- und facettenreichen Darstellung des Konzerts für Marimba und Streichorchester des Franzosen Emmanuel Séjourné. Obwohl 2006 komponiert, bot dieses Werk überraschend viel Romantik und Klangmagie, nicht zu reden von der beinahe unglaublichen Virtuosität des Solisten, die frei und locker Gefühl und Wärme aus dem Marimba-Holz schlug.
Die Silvesterlaune durfte sich zwischen den Solokonzerten in Dimitri Kabalewskis Galopp aus der Suite "Die Komödianten" austoben – kontrolliert, klangschön und detailgenau. Dieses Stück kehrte zum Schluss in der Silvester-Überraschung wieder: einer wienerisch inspirierten Reihung aus Walzer und Polka, die in den Radetzky-Marsch und zum Schluss in den Komödianten-Galopp mündete, bei dem das Orchester zur Freude des Publikums teilweise aufstand und im Stehen mittanzte. (Schwäbisches Tagblatt, Ella Schreiber)