Instrumentale und literarische Glanzlichter
REUTLINGEN. Robert Schumanns vierte Sinfonie gehört wahrlich zu den Werken, die ein Jugendorchester so richtig fordern können. Die Junge Sinfonie Reutlingen hat diese Herausforderung angenommen – zur Freude des Publikums, das am Sonntag in der Listhalle gleich mehrfach musikalische und auch literarische Glanzlichter erlebte.
Angefangen mit Paul Burkhards Ouvertüre zum Film »Der Schuss von der Kanzel« (1946) nach der gleichnamigen Novelle von Conrad Ferdinand Meyer. Vom Fleck weg präsentierte sich das Orchester hier hellwach, zupackend und pompös. Kein zögerliches Hineintasten. Stattdessen dunkel grummelnde Krimi-Motive im Blech, Holzbläser zwischen rhythmisch markanten Akkordfolgen von imponierender Schlagkraft und großflächiger Epik. Süßlich die Geigen zuweilen mit Choralmelodien, die Burkhard – der Schöpfer des berühmten Lieds »O mein Papa« übrigens – im ironischen Kontrast zu martialischen Militärklängen angelegt hat. Im Film wie in der literarischen Vorlage geht es um einen General, der einen mit Waffen hantierenden Pfarrer reinlegen will. Ein von den jungen Musikern glänzend interpretiertes Husarenstück.
Schräges »Rondo populare«
Bernd Alois Zimmermanns »Die fromme Helene« für Sprecher und acht Instrumentalisten knüpfte fast nahtlos an diese Tradition der burlesk-spöttischen Spiegelung menschlicher Verhaltensweisen an. Cornelia Prauser, die bei den übrigen Stücken des Abends Cello spielte, übernahm als pointiert artikulierende Sprecherin den leicht gerafften Textpart von Wilhelm Busch. Die Musik, ein herrlich schräges »Rondo popolare« mit quirlig hingeknallten Motivfetzen, war in voller Länge zu hören, als ganzer Spaß.
Vor der Pause dann ein Rückgriff auf die Wiener Klassik. Flüssig und wendig das Orchester in Wolfgang Amadeus Mozarts Konzert für Oboe und Orchester C-Dur KV 314, stets den gebührenden Raum lassend für Solist Marius Schifferdecker (Jahrgang 1987), der seine Rolle mit Schwung und Grazie ausfüllte. Fast schwerelos gelang ihm der langsame Satz, in dem sein schlank-kultivierter Ton wunderbar aufblühte. Ein ungetrübter Genuss.
Und schließlich Schumann. Die »Vierte« nicht in der 1841 geschriebenen Ursprungsfassung, sondern in der vom Komponisten später neu instrumentierten Version. Greller bisweilen, kontrastreicher im Wechsel aus Klangpracht und impulsiver Dramatik. Feurig und wuchtig, mit Schmelz und Furor und einer erfrischenden Unmittelbarkeit. Dirigent Rainer M. Schmid sorgte für den nötigen Drive und förderte neben einer verblüffenden Dichte klangliche Eloquenz unter den Orchestermusikern zutage.
Verstärkt wurde die Junge Sinfonie bei diesem furiosen Abschluss von acht jungen Instrumentalisten aus der Partnerstadt Roanne, vom dortigen Musikschulorchester. Der Lionsclub und die Stadt Reutlingen hatten es mit ihrem finanziellen Beitrag möglich gemacht, dass Reutlinger und Roanner Nachwuchssinfoniker in einen musikalischen Austausch traten. Dafür gab es vom sichtlich begeisterten Publikum zu Recht einen Sonderapplaus. (GEA)