Sprühende Begeisterungsfunken
REUTLINGEN. Sommer ist nicht nur am Thermometer ablesbar. Die Junge Sinfonie Reutlingen kann auch durch ihr intensives Spiel die gefühlten Temperaturen in angenehme Bereiche hochtreiben. Beweis: ihr diesjähriges Sommerkonzert am Sonntag in der Listhalle. Mit einem Programm im chronologischen Krebsgang überzeugte sie voll und ganz.
Das zeitlich jüngste Stück stand dabei am Anfang. Karl Michael Kommas »Vier Stücke für Kammerorchester« von 1987 wurden von der Jungen Sinfonie, den Widmungsträgern des Werks, unter der Leitung von Rainer M. Schmid sensibel artikuliert gespielt. Das Schwanken zwischen Freude und Melancholie wurde informiert umgesetzt. Im energischen ersten Satz zeigten die Sinfoniker engagiertes Musizieren. Violinen und Celli warfen sich gekonnt Pizzicato-Bälle zu, die Bläsersolisten agierten als eingespieltes Ensemble. Barbara Herrmann an der Oboe und Klarinettist Johannes Schuler setzten Akzente mit sinnlichen Einwürfen; Constanze Gnädinger hatte am Fagott auch noch in den tiefsten Tiefen ihr Instrument klangschön im Griff. Die Flötistin Klara Baumann wiederum sang dazu sehr ausdrucksvoll. Da konnte der anwesende Komponist nur loben.
Schließlich wechselte man ins Jahr 1953, zu Darius Milhaud, einem der Mitglieder der französischen Komponisten-Gruppe »Les Six« dessen quirlig-witzige Musikästhetik auch in der »Suite campagnarde« voll zum Tragen kam. Vor allem die »Danse rustique«, ein ländlicher Bauerntanz, gelang sehr zivilisiert und ohne Verzicht auf ein herrliches Stimmengetümmel mit viel Spielwitz.
Ganz anderes Terrain betraten die Sinfoniker nach der Pause mit Brahms' Sinfonie Nr. 1. Zupackend und klar akzentuiert, war der Kopfsatz ein machtvolles Wogen in straffem Tempo. Der strahlende Klang des Orchesters vibrierte von höchster Ausdrucksintensität. Dazwischen waren aber immer auch Ruhepole eingestreut, die den nächsten Höhepunkt erlebbar machten.
Ein schlanker, federnder Bass bildete das Fundament für die vollen Violinregister. Gelegentliche Unsicherheiten bei Übergängen beeinträchtigten daher nie das Gesamtbild. Im dritten Satz kosteten Rainer M. Schmid und die Jungen Sinfoniker den Reichtum an Melodien grazil aus, bevor sie im Finale aus dem Pianissimo heraus ein stabiles Klanggebäude errichteten. Beeindruckend grüßte das Bläserthema in der Einleitung (ein Alphornzitat mit dem Text »Hoch auf'm Berg, tief im Tal, grüß ich dich viel tausendmal«) und das hymnische Hauptthema in den Streichern.
So sprang der Funke der Begeisterung auch auf das Publikum über, das sich in der verdienten Zugabe noch einmal an Brahms erfreuen durfte. (GEA)