Fast wie Heimkommen
REUTLINGEN. Wenn Georg Dettweiler am kommenden Sonntag in der Listhalle als Solo-Cellist gemeinsam mit der Jungen Sinfonie spielt, ist das für ihn eine Art Rückkehr zu den Wurzeln. Denn Dettweiler, mittlerweile freischaffender Cellist in Basel, hat lange Jahre selbst in Reutlingens renommiertem Jugend-Ensemble gespielt. »Ich habe dort sogar noch im Nachwuchsorchester angefangen«, erzählt er.
Wie für viele war auch für ihn die Junge Sinfonie nicht irgendein Ensemble. So ein Miteinander und Wir-Gefühl wie dort habe er in keinem anderen Jugendorchester erlebt, sagt er. »Und Dirigent Rainer Schmid bringt da unheimlich Esprit rein.« Bei den ersten Proben sei alles sofort wieder da gewesen: die alten Verbindungen, Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse, etwa die Probenfahrten nach Terenten oder die typischen Junge-Sinfonie-Rituale wie das Singen bestimmter Lieder – es war also fast etwas wie Heimkommen, was Dettweiler bei den ersten Proben erlebte.
Nur dass der in Reutlingen aufgewachsene Cellist nun nicht in den Streicherreihen sitzt, sondern davor. Und dass nun er es ist, von dem das Orchester lernt. Denn seit seinem Abschluss an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock beschäftigt sich Dettweiler an der renommierten Schola Cantorum Basiliensis in Basel intensiv mit Fragen der historischen Aufführungspraxis. Und bei einem Werk wie Haydns D-Dur-Cellokonzert, das er am Sonntag vorstellen wird, spielen Fragen der historischen Aufführungspraxis eine wichtige Rolle.
In Extraproben hat Dettweiler die Musiker der Jungen Sinfonie auf eine der Epoche angemessene Spielweise eingeschworen. »Ich habe mit den Streichern auf sehr kurze Bogenstriche und einen sehr dezenten Einsatz von Vibrato hingearbeitet«, erzählt er. Er selbst liebt das Stück, weil es sehr viel Klarheit erfordert. »Da muss sehr präzise gearbeitet werden«, betont Dettweiler – keine Chance, sich in schwelgerische Klangwolken zu flüchten, »das ist viel zerbrechlicher als romantische Werke«.
Wobei er sich bewusst ist, dass bei einem Konzert wie dem bevorstehenden nur eine Annäherung an das authentische Klangideal möglich ist. »Zu Haydns Zeit waren die Säle viel kleiner als die Listhalle – und dementsprechend auch die Besetzungen«.
Ohnehin sträubt er sich gegen ein schematisches Kategoriendenken, hier historische Spielweise, dort moderne Spielweise. Beim Thema Vibrato-Einsatz beispielsweise »bin ich etwas zwiegespalten«. Einerseits kämen beim vibratolosen Spiel die Dissonanzen und ihre Auflösung wesentlich plastischer zur Geltung; andererseits deuteten zeitgenössische Quellen darauf hin, dass durchaus auch im 18. Jahrhundert schon Vibrato eingesetzt wurde, so Dettweiler. Seine Lösung: Je nachdem, was ihm vom musikalischen Ausdruck her passender erscheint, erklingen verschiedene Stellen ganz ohne Vibrato, andere aber mit. Dettweiler: »Ich versuche da meine eigene Mischung zu finden.« (akr)