Reutlinger Generalanzeiger, 02.01.2015

Stippvisite bei Robin

VON ARMIN KNAUER

REUTLINGEN. Was man im alten Jahr noch alles unternehmen wollte, bevor die Böller krachen! Den alten Haydn in London besuchen, die geistreiche Cécile Chaminade in Paris. Mit Johann Strauß die Pyramiden umrunden, mit Ernst Krenek ein böhmisches Pils kippen und mit Robin Hood durch den Sherwood Forest streifen. Steht da alles noch auf dem Zettel! Also schnell die Koffer gepackt und eingecheckt – da sitzen wir nun im musikalischen Flugabteil des Georgensaals, die Musiker der Jungen Sinfonie und wir 500 Mitreisenden im Publikum.

Flötistin Amelie Schirmer als Solistin im Silvesterkonzert. FOTO: ADRIAN KNAUER

Flötistin Amelie Schirmer als Solistin im Silvesterkonzert. FOTO: ADRIAN KNAUER

 

Kaum abgehoben, sind wir schon bei Papa Haydn in London angekommen. Hat gute Laune, der Alte! Mimt in der Einleitung den Schwermütigen, ehe er laut auflacht und seinen Humor blitzen lässt. Die Bässe lachen gleich lustig mit, die Geigen sind noch etwas schüchtern, aber schon im zweiten Satz jauchzen auch sie mit Lust auf, wenn der Senior seine synkopischen Witze reißt. Im Menuett ist das Eis gebrochen, da wird ganz handfest geschunkelt, und das Finale ist dann eine fetzige Party.

Wie wohl nach solch robusten Scherzen französische Noblesse tut. Die junge Flötistin Amelie Schirmer leiht Cécile Chaminade ihre Stimme und lässt sie erzählen. Und was für sinnliche Erzählungen das sind! Mal in dunkel-samtigen Tiefen lockend, mal in den Höhen glockenhell aufblitzend, wirbelt der musikalische Erzählstrom aus Amelie Schirmers Flöte. Welch ein Esprit!

Aber Johann ruft, unser Wiener Kumpel aus dem Strauß-Clan, ihn drängt’s zu den Pyramiden. Ah, da wehen sie schon heran, die orientalischen Trommel-Rhythmen, die Holzbläser, die sich nach arabischen Schalmeien anhören. Schon sind wir mittendrin in der schmetternden Janitscharen-Musik, da schallt sogar ein kraftvoller Chorgesang mitten aus dem Orchester! Welch ein Schauspiel! Aber vorbei, da ziehen sie hin auf ihren Kamelen und die Schalmeien verklingen leise mit den Trommeln in der Ferne.

Schunkeln mit Ernst Krenek

Jetzt erst einmal ein Pils im böhmischen Biergarten! Hört, die Blasmusik schunkelt schon ihre Märsche. Aber an was für eine schräge Dorfkapelle sind wir da geraten! Leute, die machen sich doch mitsamt dem alten Ernst Krenek lustig über ihr Metier! Die Holzbläser haben eine Mordsgaudi an ihrem parodistischen Gedudel – und Trompeter Maik Kaufmann lässt die schönsten Soli vom Stapel. Ein grimmig lustiger Abgesang!

Schön war’s, das Feuerwerk kann kommen. Nein, halt, da war noch was: Mit Robin Hood die Welt retten! Schnell, die Hüte aufgesetzt und die musikalischen Schwerter gewetzt! Mit donnernden Fanfaren bekommt der Sheriff von Nottingham das blitzende Blech gezeigt! Für eine zarte Liebelei mit betörend schmachtenden Bratschen ist auch Zeit.

War das eine Reise! Wie soll man das alles im Gedächtnis behalten? Kein Problem, Dirigent Rainer M. Schmid legt als Zugabe den Rückwärtsgang ein, häppchenweise geht’s durch die Stücke des Abends zurück zu Haydn. Wo wir gerade bei einem Wiener sind, kann der Radetzky-Marsch folgen. Und die Reisegesellschaft im Saal darf noch ein bisschen singen. Dann auf zum Feuerwerk! (GEA)